1622 Freetrade

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Titel: Freetrade
Autor: Edward Misselden
Veröffentlichung 1622 in London

Zitat Kommentar
„1) Die natürliche Materie des Handels ist die Waare, die künstliche ist das Geld. Obgleich Geld in Natur und Zeit nach der Waare kömmt, ist es, wie es jezt in use ist, die Hauptsache geworden. Er vergleicht dieß mit den beiden Söhnen des alten Jacob, der seine rechte Hand auf den Jüngern und die Linke auf den ältern Son legt.“ p. 24; zit in KM,1851 1.) Das Interesse des Händlers gilt dem Geld, nicht der Ware. Er kauft eine Ware nur, um sie anschließend wieder verkaufen zu können. Der Händler führt also nacheinander die beiden Vorgänge G ⇔ Wx und Wx ⇔ G durch, die sich verkürzt als G ⇔ Wx ⇔ G darstellen lassen. Entwicklungsgeschichtlich tritt der Handel G ⇔ Wx ⇔ G nach dem reinen Warentausch Wx ⇔ Wy auf, so daß zwischen den beiden Stufen die Herausbildung einer Ware gelegen haben muß, die dann als Geld verwendet wird.

Bemerkung: Bitte beachten Sie die Unterschiede in den Indexierungen bei G ⇔ Wx ⇔ G und Wx ⇔ Wy. Bei G ⇔ Wx ⇔ G wird nur die Ware Wx ge- und verkauft, wobei es sich bei Wx um eine beliebige Ware handelt. Bei Wx ⇔ Wy werden zwei beliebige und voneinander verschiedene Waren gegeneinander getauscht.

„2) Wir consumiren unter uns einen zu grossen Ueberfluß an Weinen aus Spanien, Frankreich, Rhein, Levante, den Inseln, die Rosinen von Spanien, die Corinthen der Levante, die cambricks von Henault und den Niederlanden, die Seidenzeuge von Italien, den Zucker und Taback von Westindia, die Gewürze von Ostindien; alles dieß ist nicht nothwendig für uns und doch erkauft mit hartem Gelde .. . Würde weniger von dem fremden und mehr vom einheimischen Product verkauft, so müßte der Ueberschuß nothwendig in der Form von Gold und Silber (in treasure) zu uns kommen. Klagen, daß das Silber nach Asien geht und nicht von daher zurückströmt.“ p. 24; zit in KM,1851 2.) Die Engländer kaufen Wein in Spanien, Frankreich, vom Rhein und aus der Levante, Rosinen aus Spanien, Corinthen aus der Levante, Leinen aus Niederland, Seide aus Italien, Zucker und Taback aus Westindien, Gewürze aus Ostindien. Verallgemeinert führen sie also den Vorgang Geld ⇔ Ware (oder G ⇔ W) aus. Da zur damaligen Zeit Gold und Silber als Geld verwendet wurde, mußten also Gold und Silber von England nach Spanien, Frankreich, Italien, dem Rhein, der Levante, West- und Ostindien fließen. Ob Wein, Rosinen, Leinen, Seide, Zucker, Taback, Gewürze für die Engländer ’nothwendig‘ sind, können nur die Engländer selber entscheiden. Ich vermute mal ‚ja‘, denn sonst hätten sie es ja nicht konsumiert, also ver- und/oder gebraucht. (Misselden muß Händler oder Bänker gewesen sein, weil er den Abfluß von Gold und Silber auf Seite 24 beklagt.)
„3) Als unbewegliche und immutable things ebenso gut in den Handel unter die Menschen kamen als die Dinge, die beweglich und gemacht für den Tausch waren, kam das Geld in Gebrauch, als die Regel und das Maaß (square), wodurch diese Dinge Schätzung und Werth empfangen möchten.“ (p.25; zit in KM,1851) 3.) Das Geld kam (entgegen Misseldens Meinung)  nicht erst in Gebrauch, als unbewegliche und unveränderbare Dinge wie Immobilien oder Häuser getauscht (d.h. ver- und gekauft) wurden. Das Geld ist auch nicht das Maß dieser Dinge, weil sich ‚das Maß‘ auf eine Eigenschaft bezieht. Wie wir heute wissen, ist diese ökonomische Eigenschaft der Dinge der Produktwert – und dieser wird in einer Zeiteinheit gemessen. Die zur Herstellung erforderliche Arbeitszeit ist also das ökonomische Maß dieser Dinge. Klar geht der Produktwert der Waren (also die zur Herstellung erforderliche Arbeitszeit) in der Konsumtion unter, während die Arbeitszeit, die in der Gewinnung von Gold und Silber steckt erhalten bleibt. Gerade deshalb wurden die englischen Konsumenten eben auch gezwungen auch etwas herzustellen, damit sie ihre Waren an die Spanier, Italiener, Franzosen, Deutschen und Indier verkaufen können (W ⇔ G) – und somit das Gold und Silber wieder nach England zurück fließt.

Das ein Konsument auch etwas herstellen muß, was jemand anderes braucht, finde ich persönlich viel gerechter, als die parasitären Konsumenten der new economy, welche nur noch Papierzettel oder elektronische Spannungszustände in ihren Bankcomputern herstellen, sich dafür die Arbeitsprodukte der ganzen Menschheit aneignen und diese ohne jegliche Arbeitsleistung konsumieren und das was übrig bleibt, verteilen.

„Er sezt immer die wares dem treasure entgegen. (Die Waaren werden als marchandise denrées, gehn in die Consumtion ein, das Geld nicht. (Je mehr, sagt er z.B. der Handel mit Ostindien zunehmen macht die wares, desto mehr macht er abnehmen die treasures. (1 .c.)“ KM,1851
„Die leztre Bemerkung so weit richtig: Die ganze Gesellschaft erst wirklich Handelsgesellschaft, sobald das s.g. unbewegliche Eigenthum austauschbar geworden, also der Besitztitel. Grundeigenthum, Haus etc bildeten früher die materielle Basis einer Art von Gemeinwesen und konnten nicht durch die einzelnen Individuen veräussert werden. Die beweglichen Waaren ihrer Natur nach zum Austausch, zum Circuliren geeignet und zum troc. Blos der Ueberschuß. Mit dem unbeweglichen Eigenthum mußte bei seiner Veräusserung der Tauschwerth schon eine selbstständige Gestalt im Geld erhalten und das Haus etc durch das Geld als Repräsentant von so und so viel Tauschwerth abgeschäzt sein.“ KM,1851 Natürlich nimmt auch der Produktwert eines Hauses, also die Arbeitszeit die in einem Haus steckt, mit der Konsumtion (seiner Nutzung als Wohnstätte) ab – aber eben viel langsamer als der Produktwert einer Flasche Wein. Der Produktwert einer Flasche Wein ist nach dessen Leerung weg, der Produktwert eines Hauses ist am nächsten Tag nur ein ganz klein wenig geringer, als am Vortag. Der Tauschwert eines Hauses ist der Produktwert der dafür empfangenen Ware. Er muß nicht bei der Veräußerung des Hauses schon eine selbständige Gestalt in Form des Geldes haben. Ein Haus kann auch gegen eine Herde Rinder getauscht werden. Dann ist der Tauschwert des Hauses die Arbeitszeit, die in der Herde Rinder steckt – und nicht die, die im Geld steckt. Der Produktwert eines Hauses liegt vor und nach dem Verkauf fest (die darin steckende Arbeitszeit), der Tauschwert eines Hauses wird durch den Produktwert des dagegen eingetauschten Produktes festgelegt.